Musica 1.0 (Mai 2012)

In den zahlreichen Diskussionen, was denn Tango Argentino eigentlich sei, und den nicht sehr ergiebigen Antworten (im Sinne von Aha. So.), steht ein Bereich außer Streit.
Die Musik.

Tango Argentino ohne Musik geht nicht. Geht gar nicht, um mit moderner Sprache zu schreiben.
Ohne Tanz, kein Problem, welche Ideologie, Himmelsrichtung, Technik auch immer.
Der Tango braucht die Tanzenden nicht, die Musik sehr wohl.
Wert, sich ein bisschen genauer damit zu beschäftigen.
Ist es das wert? Warum nicht einfach tanzen, wieso überhaupt die ganzen Regeln? Jetzt auch noch über Musik?

Kann man Musik lernen, geht das überhaupt?
Bedeutete dies, dass je mehr Informationen, mehr Gelerntes man über Musik hat, desto besser ist das Verständnis und desto größer der Lustgewinn?

Ich meine, je komplexer Musik ist, desto mehr Informationen können nicht schaden. Und je aufnahmebereiter der Empfänger für Informationen ist, desto mehr werden sie letztendlich zu seinem Lustgewinn (im Sinne von aktivierten Gehirnarealen) beitragen.

Nur wie vermittelt man Information an Nicht Musiker, trivial-Folkloremusik-sozialisierte Mittel-Nord-Westeuropäer?
Ich schreibe bewusst Mittel-Nord-West-Europäer, weil der Osten und Süden Europas eine weitaus größere Komplexität an Volksmusik seinen Kindern weitergibt.
V.a. die Klezmer Tradition (jüdische Musik) mit ihrem reichhaltigen Repertoire und die noch viel reichhaltigere Zigeunermusik seien hier angeführt.
Komplex im Sinne von Taktart, von Rhythmus, offbeat (siehe letzten post zum Thema vals criollo), Improvisation, und und und.
Hier ein nettes Beispiel, ab Minute 2 gehts dann richtig zur Sache.

Hier zählt sicher keiner mit oder überlegt, ob er offbeat aufstampft (was passiert). Der Rhythmus ist “im Blut”, viele Kinder unserer Breitengrade, die mit pentanonisch geprägten Kinderliedern musikalisch sozialisiert wurden, werden sich später schwertun, spontan zu solch einer Musik mitzutanzen.
Und dementsprechend im Tango musikalisch zu tanzen.

Viel hören ist mMn ein wichtiges Element, um musikalisch breiter zu werden. Gerade Wien bietet eine Unmenge an musikalischen Highlights das ganze Jahr hindurch. Einige Tangoveranstalter bringen regelmäßig Live Musik (Rote Bar am Sonntag, Tango Nuevo Lounge am Montag).

Wechseln wir die Kontinente, zu einem Land, das wie kein zweites soviele Musikrichtungen des 20 Jh beeinflusst hat.
Kuba!
Hier eine nette Übersicht.

Und so klingts dann…

https://www.youtube.com/watch?v=6JEdf7XsV5g

All diese Wurzeln sind in den Tango eingeflossen, die Auswanderer nach Argentinien hatten die Musik bei sich, die Gesänge, Melodien, Rhythmen ihrer Kindheit und natürlich ihr Talent.

In der Candombe ist der “schwarze” Einfluss unüberhörbar!

Bist Du fremd in einem Land, wirst Du viele Aktivitäten machen, die Dich an die Heimat erinnern. Welche Tätigkeit könnte das besser als Musik erreichen? Und wie kann Heimweh, das Lamentieren über die (leider allzu berechtigte) schlechte eigene Situation denn besser zum Ausdruck gebracht werden.
Und genauso wie die Jugendlichen von heute in tristen Vororten der USA oder Frankreich ihre Musik, ihre Rhythmen, ihre Ausdrucksweisen haben, so hatten die Auswanderer in Argentinien ihre Ausdrucksweisen, die über Jahre eine Kultur geschaffen haben, die uns bis heute erfreut und vielen von uns prägend für ihr Leben ist.

Hier ein kurzer Film, der auf die soziale Situation eingeht und schöne Musikbeispiele zeigt. Der gitarrenspielende Sänger in der Spelunke, der einen Tango von Angel Villoldo singt, einen der ersten bekannten Tangosänger und Komponisten, dann ein Musiktrio, und schließlich ein cuarteto mit Referenzen auf Roberto Firpo, der Mann der das Klavier in den Tango gebracht hat!

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